Nie zwei ohne ein Drittes
Daher muss ich Sie bei dieser Gelegenheit – denn es ist womöglich die letzte – darauf aufmerksam machen, dass in den japanischen Druckgrafiken, den ziemlich einzigartigen hergestellten, schriftlichen Kunstwerken, die dafür bekannt sind, dass in ihnen gewagt wird, uns etwas vorzustellen, von dem niemand annehmen sollte, dass ich seinen Wert schmälere: die kopulatorischen Gier [la fureur copulatoire]. Man muss sagen, dass dies nicht jedermann zugänglich ist. Man muss sich in einer gewissen zivilisatorischen Ordnung befinden, die sich nie in den Dienst jener Dialektik gestellt hat, die ich Ihnen eines Tages beiläufig näher zu bestimmen versuchen werde: es handelt sich um die christliche. Es ist sehr befremdlich, dass jedes Mal, wenn sie diese Personen sehen, die sich auf wahrhaftig ergreifende Weise umarmen, die [aber] nichts mit der wahrlich widerlichen Ästhetik gemein hat, wie sie sich in den gewöhnlichen Darstellungen dieses Niveaus in unserer Malerei abspielt, dass Sie seltsamerweise sehr häufig, fast immer, in ein kleinen Ecke der Grafik ein kleine dritte Person vorfinden; manchmal hat dies den Anschein, ein Kind zu sein, manchmal sogar nur der Künstler, ein wenig eine Lachnummer – denn in alledem werden Sie erkennen, dass diese dritte Person, ganz gleich wie man sie darstellt, und wir zweifeln nicht, worum es sich dabei handelt, eben dasjenige ist, das ertragen muss, dass ich es als Objekt bezeichne, und dies ganz genau in der Form, in der es tatsächlich substantiell da ist, in der es in die zwischenmenschliche Kopulation jenes nicht erklärbare Etwas einführt, das just mit dem zusammenhängt, das Sie zu seiner Vervollständigung niemals erwarten, und das sich ganz einfach ›der Blick‹ nennt. Gerde deshalb handelt es sich bei dieser kleinen Person manchmal um ein Kind und manchmal – wahrlich seltsam und rätselhaft für uns, die durch unsere Brille darauf schielen – einfach ein kleiner Mensch als ganz und gar Mensch, erschaffen und gezeichnet mit denselben Proportionen wie der sich da aktiv betätigende Mann; nur eben ganz und gar verkleinert; als eine Illustration, für das empfindsam ist, was sich als wirklich grundlegend [basal] erweist, und die uns dazu zwingt, das sogenannte Prinzip der Widerspruchsfreiheit, zumindest soweit dieses das damit behandelte Feld betrifft, als einem fundamentalen Ursprungspunkt des Denkens [point raidical à l’origine de la pensée] zu revidieren, und das sich, um eine gängige [›colloquial‹], umgangsprachliche Formulierung zu verwenden, so äußert: ›Nie zwei ohne ein Drittes‹ [jamais deux sans trois].1 Sie sagen dies ohne nachzudenken. Sie denken einfach, dies besagte, dass wenn Sie bereits zwei Scherereien [emm…] habe, sie zwangsläufig auch eine dritte erleben werden.2 Mitnichten! Keineswegs will es das besagen! Es bedeutet, dass es, um Zwei zu sein, eines Dritten bedarf.
Sie haben sicher nie darüber nachgedacht. Doch gerade hierin ist die Forderung begründet, dass wir in unser Wirken [opération] das einführen, das diesem intervenierenden Element [élément intercalaire] Rechnung trägt, das wir selbstverständlich durch eine logische Verknüpfung begreifen können, denn wenn Sie sich in der Wirklichkeit anschicken, dieses Etwas in einer Ecke zu erfassen, werden sie garantiert reingelegt, denn gerade die Wirklichkeit ist, wie jedermann weiß, auf Ihr Ich aufgebaut, auf das Subjekt des Bewusstseins, und damit ist sie genau so konstruiert, dass Sie sie niemals erreichen werden.
Nur uns als Analytikern kommt diese Rolle zu. Wir, wir verfügen über die erforderlichen Mittel« (Lacan, 1968, 387-389).