Hinweis für den japanischen Leser
Dass man mich ins Japanische übersetzt, bringt mich in Verlegenheit. Denn es handelt sich um eine Sprache, der ich mich – im Rahmen meiner Fähigkeiten – genähert habe.
Von ihr habe ich eine hohe Meinung. Ich erkenne in ihr die Perfektion an, mit der sie in ihrem Diskurs ein sehr kultiviertes soziales Band [lien] unterhält.
Dieses Band ist jenes, das mein Freund Kojève, der unabhängigste Mensch, den ich kennengelernt habe, als Snobismus bestimmt hat.
Er tat dies spaßeshalber [d’humour] und weit entfernt von jener Anwandlung [humeur], die man im Namen des Menschlichen angesicht der ihm eigenen Seinsweise [mode d’être] haben zu müssen glaubt.
Vielmehr warnte er uns (ich verstehe darunter: uns, die Abendländer), dass gerade vom Snobismus her uns eine Chance verbleibe, ohne Schande Zugang zu den Besonderheiten des Japanischen [chose japonaise] zu erhalten – dass es damit in Japan eine manifest bessere Voraussetzung [matière] als bei uns gäbe, diese eigentümliche [Seins-]Weise zu begründen [à justifier ledit mode].
Randbemerkung: Was ich hier vorbringe, werden manche Franzosen, wenngleich sie nur wenig Wind davon bekommen haben, zweifelsohne in die Nähe von ›Das Reich der Zeichen‹ rücken, mit dem Barthes [1981] uns begeistert hat. Jene, die sich in Japan über diese bizarre Eintagsfliege [bluette étonnante] geärgert haben, können versichert sein: Ich werde darüber nur Personen in Kenntnis setzen, die vor Irrtümern gefeit sind [qui ne peuvent pas confondre].
So gesagt, erwarte ich von Japan nichts. Und der Geschmack, den ich an seinen Lebensformen [usages], insbesondere an seinen Schönheiten, gefunden habe, lässt mich auch nicht mehr erwarten.
Vor allem nicht als etwas, das aus sich heraus selbstverständlich / selbst verstehbar wäre [notamment pas d’y être entendu].
Unzweifelhaft haben die Japaner für alles ein Ohr, was sich in der Welt an Gerede entspinnen [s’élucubrer] mag. Sie übersetzen, übersetzen, übersetzen alles alles, was lesbar erscheint: Und sie haben es wahrlich nötig. Andernfalls könnten sie sich dessen nicht sicher sein: So jedoch können sie sich darüber im Klaren sein.
In meinem speziellen Fall jedoch stellt sich die Angelegenheit anders dar. Gerade weil es sich um dieselbe wie bei ihnen handelt: Wenngleich ich es kaum glauben kann, besteht [diese Gemeinsamkeit] im Rahmen des [auch] mich betreffenden Falles. Doch stellt auch dies zwischen Japanern und mir keine Gemeinsamkeit her.
Ich bemühe mich, den ›Meistern‹, den Hochschullehrern, sprich, den Hysterikern, aufzuzeigen, dass ein anderer Diskurs als der ihre aufgekommen ist. Da nur ich ihn führe, denken sie, bald davon befreit zu sein, ihn in mir anzuerkennen [à me l’attribuer], wenngleich ich eine Menge Zuhörer habe.
Eine sich täuschende Menge, denn es handelt sich um den Diskurs des Psychoanalytikers, der mitnichten mich benötigt, um an die Macht zu kommen.
Doch will ich nicht behaupten, dass dies die Psychoanalytiker wüssten. Man verfolgt nicht die Diskurse, deren Resultat [effet] man selbst ist.
Randbemerkung: Zwar könnte dies dennoch der Fall sein. Doch damit wird durch jene, die Gegenstand dieses Diskurses sind, hinausgeworfen [se fait expulser par ce qui fait corps de ce discours]. Mir ist dies bereits widerfahren.
Diese Bemerkung noch einmal aufgreifend: Die Japaner stellen sich hinsichtlich ihrer Rede keine Fragen / nicht infrage; sie übersetzen sie und machen dies selbst in den vorgenannten Fällen. Sie tun dies mit Erfolg, unter anderem von Seiten des Nobelpreis-Komitees [du côté de Nobel]
Immerdar der Snobelismus. [1]
Was kann ihnen mithin das Faktum meiner Mühen mit einem Diskurs des Psychoanalytikers ausmachen, für den sich niemand von denen, denen ich begegnet bin, je interessiert hat? Wenn nicht im Rahmen einer Kulturwissenschaft amerikanischer Volksstämme [ethnologie de la peuplade américaine], wo dies als Nebenaspekt [détail] erwähnt wird.
Das Unbewusste […], schrieb ich, ist als eine Sprache strukturiert. [2]
Dies erlaubt der japanischen Sprache, ihre Konstruktionen [formations] so perfekt zu verdichten [colmater], dass es mir möglich war, einer Japanerin bei der Entdeckung von so etwas wie einem Wortwitz [mot d’esprit] – ›erwachsene Japanerin‹ – beizustehen.
Womit sich erweist, dass das Bonmot [als geistreich-witziges Wortspiel] in Japan den Sprachraum [dimension] der alltäglichen Rede ausmacht, weshalb niemand, der in dieser Sprache zu Hause ist [qui habite cette langue], eine Analyse benötigt, wenn nicht, um seine Beziehungen zu Spielautomaten, sprich, zu gänzlich mechanischen Klienten, in Ordnung zu bringen.
Für tatsächlich/voll [3] sprechende Wesen [êtres vraiment parlants] reicht on-yomi hin, um kun-yomi zu interpretieren. Die Klammer, die beide miteinander bilden, besteht in dem so wohlgefällig Geformten [bien-être … qu’ils forment], dass dieses so frisch wie eine warme Waffel herauskommt.
Nicht jeder hat das Glück, und sei es als Dialekt, Chinesisch als seine Sprache zu sprechen, noch überhaupt – als viel wesentlicherer Punkt – eine derart seltsame Schrift mit seiner Sprache angenommen zu haben, dass dies die Distanz des Denkens, sprich, des Unbewussten, zum Sprechen jederzeit greifbar [tangible] macht. Als eine in anderen Sprachen, die sich für die Psychoanalyse als geeignet erwiesen, nur gewagt aufzulösende Diskrepanz [écart si scabreux à dégager].
Wenn ich nicht fürchten müsste, missverstanden zu werden, würde ich behaupten, dass es für den Japanisch Sprechenden gängige Sprachpraxis [performance] ist, die Wahrheit durch die Lüge zu sagen, d. h. ohne ein Lügner zu sein.
Man hat mich für meine japanische Ausgabe um ein Vorwort gebeten. Ich sage, was ich denke, für etwas, von dem ich – Japan betreffend – keinerlei Ahnung habe, sprich, es geht um die Leserschaft.
Sodass ich Lust hätte, sie aufzufordern, mein Buch, sobald dieses Vorwort gelesen ist, zu schließen! Ich hätte dann die Hoffnung, ihr ein wohlmeinendes Souvenir zu hinterlassen.
Ich fürchte dass sie – in einem Gefühl, das zu haben mir nie möglich war – in ihrem Land eine ›Verständigung‹ [communication] fortsetzt, die sich als Wissenschaftsdiskurs vollzieht, will sagen: vermittels des [Verständigungs-]Mittels der Schul-/Tafel [le moyen du tableau noir]. […] Der psychoanalytische Diskurs ist kein wissenschaftlicher. Die Verständigung wälzt auf ihn einen Sinn ab. Doch der Sinn des einen Diskurses verdankt sich immer nur einem anderen.
Nun lassen sie uns vorstellen, dass der psychoanalytische Diskurs – in Japan wie anderswo – dafür benötigt würde, dass die anderen weiter beständen, will sagen: dafür dass das Unbewusste ihren Sinn widerspiegelt [renvoie leur sens]. So, wie dabei Sprache gemacht ist, wäre an meiner Stelle nur ein Schreibstift [stylo] erforderlich. Ich jedoch bedarf, um diesen Platz zu bewahren, eines Schreibstils [style]. [4]
Was sich außerhalb der Angelegenheit [histoire], von der ich hier spreche, nicht wiedergeben lässt [ne se traduit pas].
(Lacan, 1972)